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Der Offenburger Künstler Oskar Haberer (1867 - 1932): "Prototyp des Besten, das in der jüdischen Seele lebt..."

"Im Jahr 1867, 16. Februar, früh halb ein Uhr wurde dahier ein Kind männlichen Geschlechts geboren, welches den Namen Oskar erhielt. Seine Eltern sind der hiesige Kaufmann Josua Haberer, Bürger von Friesenheim und seine Ehefrau Rosa, geborene Löwe von Gundelsheim, beide mosaischer Religion. Zeugen sind der hiesige israelische Religionslehrer Simon Stern, Bürger von Siegelsbach, Amt Sinzheim, und der hiesige Handelsmann Bernhard Bodenheimer, Bürger von Diersburg. Offenburg den 27. Februar. Karl Bähr, Pfarrer"

So lautete der Geburtseintrag von Oskar Haberer im Standesbuch der Israelitischen Religionsgemeinschaft Offenburg. Vor der Einführung der staatlichen Eintragung erfolgten diese Einträge im Kirchenbuch der Evangelischen Kirchengemeinde Offenburg, und dort im Pfarrbüro in der Okenstrasse wird deshalb auch Oscars Geburtsurkunde heute noch aufbewahrt.

Sein Vater war Josua Haberer, Lederhändler, der aus einer der blühenden jüdischen Landgemeinden, Friesenheim, nach Offenburg gezogen war, als man dort ab 1862 bürgerliche Freiheit auch den Juden zugestand. Es waren drei Brüder, die sich hier am Stadtbuckel als "Gebrüder Haberer" niederließen, und von denen Adolf Geck meinte: "Die drei Brüder Julius, Karl (Josua) und Wilhelm waren Kaufleute.."

Vater Josua endigte seine irdische Existenz in Offenburg und liegt deshalb auf dem Jüdischen Friedhof begraben. Sein Grabstein meldet heute noch auf hebräisch:

"Ischai Sohn von Binjamin, ein weiser, gerechter Mann von tadellosem Wandel, erfolgreich in seiner Mühe, tätig im Großhandel, erzog die Kinder seines Hauses zu Rechtschaffenheit, erntete die Früchte seiner Wohltätigkeit; möge er im Gan Eden seine Ruhe finden, gest. Sonntag 4 Cheschvan 5664." Darunter auf deutsch: "Hier ruht Josua Haberer, geb. 3. April 1836, gest. 25. Okt. 1903".

Über Kindheit und Jugend, über die Ausbildung zum Künstler und den beruflichen Werdegang des jungen Oscar Haberer besitzen wir ein einzigartiges autobiographisches und handschriftliches Zeugnis von ihm selbst. Als er sich nämlich als betagter Mann bei Adolf Geck 1927 für dessen Glückwünsche zum 60. Geburtstag bedankte, wurde er ausführlich und gesprächig, was ansonsten nicht seine Art gewesen sein soll, wie aus den Nachrufen zu seinem Tod 1932 hervorgehen wird (s.u.):

"Hochgeehrte Familie Adolf Geck! Vor allem spreche ich Ihnen meinen herzlichen Dank aus, für die großartige Ehrung, die Sie mir in Ihrem hochgeschätzten Blatte gewidmet haben. Am liebsten hätte ich Sie hier im Kreise unserer Familie gesehen, um Ihnen persönlich so von Herzen zu danken. Sie wissen, wir Offenburger können uns, wenn wir reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist, viel besser verstehen. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, wie eng verknüpft wir Haberers mit der Familie Geck sind durch alte Freundschaft, die sich, wenn sie, wie die, echt ist, nie so deutlich nach außen kund gibt. Mein sel. Vater hat mir oft erzählt vom Wurster Geck, der, wie ich glaube, nach Karlsruhe verzog. Ich selbst erinnere mich noch an seinen Laden in der Steinstrasse. Auch er hat so einen echten Mutterwitz gehabt, so erzählte mir mein Vater, dass er einmal im Laden saß und hatte sich ganz auffallend dick seinen Fuß verbunden. Jeder der in den Laden trat fragte den Wurstergeck, was er eigentlich am Fuß hätte? Da antwortete er: Die vorige Woche hätte er die Würste so groß gemacht, und da sei ihm eine auf den Fuß gefallen! Das ganze war natürlich eine Scherzreklame für die Kunden. Mein Onkel, Karl Haberer, Ritterstr., hat seinen Adolf sehr verehrt. Ebenso mein Bruder Emanuel, der oft im Zähringer Hof mit ihm zusammentraf. Ich selbst bin mit Oskar Geck auf einer Schulbank gesessen., d.h. nicht auf derselben Bank, sondern mehr hinten. Der Oscar war fast immer der Erste in der Klasse, und ich war es - wenn man von hinten zählte. Als Gesellschafter war Alfred Geck am zugänglichsten. Mit ihm konnte ich mich öfter über die Kunst unterhalten. Meine Lehrlingszeit von etwa 14 Tagen hatte ich in der Firma Geck und Vittali durchgemacht und dort das Glasbürsten bis zum Nasenbluten erlernt. Mein Vater holte mich weg aus Gesundheitsrücksichten und weil mir doch das Atelier, das Zeichnen und Malen verschlossen war. Herr Hansert war dort der Meister und Roth aus Schutterwald für die Ätzung ein sehr tüchtiger Pinselzeichner. Der Werkführer war aus Zell-Weierbach, der sagte als: Ja, wenn ich jetz nit anfang, dann wur i nit fertig! Karl Geck hatte die Muselinsache unter sich. Ich hörte ihn selten sprechen, er arbeitete. Ich kam dann zu meinem Zeichenlehrer Netzer, bei dem ich es so weit brachte, dass ich den ganzen Schulbetrieb damals mit leiten durfte. Er gab mir die Schlüssel und half mit beim Unterricht durch Korrektur etc. Eines Tages bei der Prüfung kam der Herr Bürgermeister Volk und Herr Stadtdirektor Baader und übergaben mir einen Preis für meine Leistungen. Bei dieser Prüfung in der Gewerbeschule hatte ich das Glück, im Rechnen nicht drangekommen zu sein, sonst hätte ich wahrscheinlich keine Prämie erhalten. Von Offenburg ging ich dann gut gesattelt nach Karlsruhe, ich musste aber, da ich das Alter noch nicht hatte, ich war ja erst 15 Jahre alt, wieder mit meinem Vater heim, was mich damals sehr bedrückte. Der damalige Direktor hieß Gagel. Ich blieb dann der Famulus meiner hochverehrten ersten Lehrer Nahm, dem ich heute noch es danken muß, dass meine Eltern mich den Weg zur Kunst betreten ließen. Aber erst sorge für Dein Brot, sagte er wie auch mein Vater, und pflege das Kunsthandwerk. Wenn Du dann weiter kommst, so soll es mich freuen. Herr Rector Nahm war zu mir wie ein Vater zu seinem Kinde. Ein ganzes Jahr durfte bei ihm schalten und walten als Assistent und verdanke ihm meine erste Vorbildung. In Karlsruhe wurde ich dann als einer der besten Schüler der Anstalt bezeichnet und dort der Preisjäger genannt. Ich bekam jedes Mal bei den Preisaufgaben den Preis und zuletzt beim Abgang für die Gesamtleistung. Von da nach 3 Jahren ging ich dann nach München um im Figürlichen mich weiter auszubilden. Ich erzähle Ihnen das alles, weil Sie mir mitteilten, dass Ihnen Ihr Sohn Tell, der die Künstlerlaufbahn betreten hat, Sorgen macht. Ich weiß noch wie heute, als ich einmal von München kam, mein Vater mit Herrn Simmler über mich sprach; ob es auch Zweck, hätte so große Opfer zu bringen, ob er glaube, dass ich’s erreiche. Da sagte Herr Simmler, "das kann man nicht wissen!" Es war meines Erachtens die richtige Antwort. Als ich mit meinem Akademiestudium, das ich vielfach im Kaffeehaus betrieb, fertig war, da fasste ich den Entschluß, als Zeichner in eine Kunstschlosserei einzutreten und kam mit blanker Tasche zu Reinhold Kirsch in München. Ich wurde fest engagiert und bezog mein Monatsgehalt. Ich war dort gut untergebracht und blieb mir außer meiner Verpflegung so viel übrig dass geordnet und gut leben konnte. Mit meinem ersten selbstverdienten Geld auch als Schüler der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe hatte ich mich sehr gefreut und ich wusste meinen Eltern die großen Opfer, die sie für mich brachten zu erleichtern. Denn wir waren 5 Brüder und 9 (?) Schwestern. Es würde zu weit führen, wollte ich auch nur annähernd schildern, wie sich so ein Künstlerleben gestaltet. Das Ganze ist eben eine Entwicklung und hängt vieles vom Zufall ab, wie Kunst und Leben sich vereinen. Aber auf eines möchte ich mir erlauben hinzuweisen, dass auch das scheinbare Nichtstun keine Faulheit ist. Denn ohne Bleistift und Pinsel arbeitet man oft und leistet an unsichtbarer Arbeit, die im Schädel vorgeht, oft mehr, als mit Pinsel und Leinwand. Sowie das Weglassen in der Kunst so wichtig ist als das Hinzufügen. Jedes Individuum ist eine in sich abgeschlossene Welt, in die kein Anderer reinsehen kann!

Meine Ausstellung wurde in Anwesenheit des Badischen Gesandten und anderen hohen Persönlichkeiten der Kunst und Wissenschaft eröffnet vom Vorstand des Vereins der Badener, die auch in erheblicher Anzahl vertreten waren. Betreffend des Artikels im Alt Offeburger sei erwähnt, resp. des l. Briefes, dass ich und auch - außer meiner ältesten Schwester Frieda - alle in Offenburg geboren sind. Frieda in Friesenheim.

Ich ersuche Sie um Zusendung von circa 10 Ex. Ihres Blattes gegen Rechnung und bitte, mir die Zeitung als Abonnent regelmäßig zuzusenden. Mit nochmals innigstem Dank, Ihr ergebener Oscar Haberer.

(Eintrag zwischen den Blättern:)

Ich habe unseren Volksmann Herr Adolf Geck selbstverständlich auch gut gekannt, aber sein ernster Blick hat mir nicht den Mut gegeben, ihn mal anzusprechen. Es ging mir wie in München mit Dr. Georg Hirth, derselbe hatte an seinem Haustor ein groß gedrucktes Plakat, da stand: Auch Sie werden höflich gebeten, die Türe zuzumachen! Und das hatte mich abgeschreckt einzutreten."

Den Tipp mit dem 60. Geburtstag scheint Oscar Haberers Frau Ilse nach Offenburg gegeben zu haben, wie nämlich aus ihrem Brief hervorgeht:

"Berlin, 25.1.1927

An die Redaktion D‘r alt Offeburger

Mein Mann, der Kunstmaler Oskar Haberer, ein Offenburger Kind, wird am 16. Februar 60 Jahre. Um einen Überblick über das Lebenswerk meines Mannes zu geben, zeigt die Berliner Galerie Casper ab 20. Febr. die z.Zt. verfügbaren, sowie die zum Teil aus städtischen und Privatbesitz stammenden Ölgemälde und Intarsien, von denen verschiedene im Amsterdamer Museum und in dem Museum in Harlem lebhaftes Aufsehen erregt haben. Falls Sie aus diesem Anlaß einiges über meinen Mann bringen wollen, so stelle ich Ihnen seinen Lebenslauf von H. E. Busse aus der Neuen Badischen Landeszeitung zur Verfügung, aus dem Sie alles nähere ersehen. Für Zusendung eines Belegexemplars wäre ich Ihnen sehr dankbar. Mit vorz. Hochachtung Frau Ilse Haberer, Berlin-Wilm., Güntzelstr. 23 II Portal 1"

Haberer hatte in seiner bescheiden Art im Brief an Geck darauf verzichtet, seine Lebensstationen und künstlerischen Erfolge im Einzelnen aufzuführen. Es muß also nachgeholt werden, soweit es noch zu recherchieren ist, damit die Biographie vervollständigt wird für zukünftige Lexika-Artikel.

Um 1910 lebte Haberer noch in Amsterdam. Im selben Jahr erhielt er auf der Weltausstellung in Brüssel als einziger Deutscher eine große Goldene Medaille. Und in einers angesehenen Zeitschrift erschien ein lobender Beitrag über ihn:

"Haberer zog es vor, als freier Künstler seinem Schaffensdrang seinen Lauf zu lassen. Er besuchte Wien, Frankfurt a.M., Berlin und Straßburg und rang sich mühsam mit Entwürfen für alle möglichen Industrien durch. Drei Jahre hat er dann für eine Porzellanfabrik gezeichnet, um endlich nach Holland wandern zu können, wo er sich seiner neuen Kunstrichtung, der Intarsia, widmete."

Dann muß er aber, und zwar noch vor dem Ersten Weltkrieg, nach Berlin gezogen sein, denn im Einwohnerbuch von Wilmersdorf des Jahres 1914 steht deutlich: "Haberer, Oscar, Kunstmaler und Zeichner für Kunstgewerbe, W 15, Pariser Str. 52 I, Atelier W 30 Neue Winterfeldtstr. 7 IV". Und nach dem Krieg, 1919, hat Haberer jene Wohnung bezogen, in der er dann 1932 die Augen für immer schließen wird: "Haberer, Oscar, Kunstmaler und Lehrer, Wilmersdorf, Güntzelstr. 23 2.Port. I, Atelier W 30 Neue Winterfeldtstr. 7 IV". 1924 wird er im Straßenteil auch als Mieter mit Telefon genannt (von den 18 Mietparteien besitzen 5 ein Telefon).

1922 erschien wieder ein Bericht über ihn: "Ein jüdischer Künstler. Oscar Haberer ist am 16.2.1867 in Offenburg (Baden) geboren. (...) In Metz entstand auch sein Gemälde "Moses", das die dortige Bne Briß-Loge angekauft hat. Später war Oscar Haberer als künstlerischer Leiter und Berater in der Schwarzwaldgegend tätig und viele der beliebten und geschmackvollen Schwarzwaldmajoliken entstammen der schöpferischen Hand des Künstlers. In Holland wurden seine Werke in verschiedenen Museen zu wiederholten Malen ausgestellt. Zwei Wandgemälde mit figürlichen allegorischen Darstellungen schmücken den Festsaal des Logenhauses der Bne Briß in Berlin. Während der Kriegsjahre übte Haberer als Zeichenlehrer in städtischen Schulen der Reichshauptstadt eine umfassende Tätigkeit aus. Nun widmet er sich wieder der freien Malerei, seiner ursprünglichen Kunst. Kürzlich erwarb die Stadt Berlin-Wilmersdorf, sein jetziger Wohnsitz, gelegentlich einer dort veranstalteten Ausstellung, ein Werk von ihm. Zurzeit arbeitet der Künstler in seiner Heimat, im badischen Schwarzwald, ganz in dem Geiste, in dem er selbst in Karlsruhe groß geworden, der, von Hans Thoma ausgehend, das spezifisch Deutsche der Landschaft, die innige, bis in die Einfalt des Gefühls untertauchende Formensprache zum Ausdruck bringt."

Und 1926: "Der jüdische Maler Oscar Haberer. Gibt es wirklich eine speziell-jüdische bildende Kunst? Wenn auf eindeutige Beantwortung dieser Frage gedrungen wird, muß man verneinen! (...) Aber trotz allem bringen die großen jüdischen Künstler noch eine besondere jüdische Nuance in den Ausdruck ihrer heimatlichen Kunst. (...) Ganz besonders liebenswerte, tiefe und schöne Züge jüdischen Wesens sind in der Kunst Oscar Haberers vereint. Dieser Maler ist einer von den stillen im Lande, einer von denen, die jedwedes Reklamegetrommel und sich-in-der-Öffentlichkeit-zur-Schau stellen aufs tiefste hassen, die nur durch schlichte Innerlichkeit werben.

Die Juden sind merkwürdigerweise seit je Extremlinge. Extrem im Bösen wie im Guten. Haberer ist Prototyp des Besten, das in der jüdischen Seele lebt. (...) Nicht nur das deutsche Judentum hat allen Anlaß, auf diesen Künstler stolz zu sein!"

Daß Haberer in seinen letzten Lebensjahren nicht nur "Jüdisches" zeichnete, sondern auch im Kunsthandwerk darstellte, geht aus einer kurzen Notiz hervor: "Von Haberer mit Intarsien verzierte jüdische Kultusgegenstände sind vielfach in Privatbesitz."

Auch in seiner Heimat Offenburg registrierte man die beruflichen Erfolge des angesehenen Künstlers sehr genau: "Wie das Berliner Tagblatt mitteilt, erwarb soeben die Deputation für Kunst und Bildungswesen der Stadt Berlin ein Oelgemälde "Schwarzer See bei Buckow" von Oskar Haberer. Unser Landsmann, den wir hiermit beglückwünschen, hat für diesen Sommer einen Besuch seiner Familie im Heimatlande in Aussicht gestellt. Da der zünftige Sommer fällig ist, würde jetzt eine Flucht aus der Berliner Luft in den Schwarzwald die richtige Zeit sein." Auch der Gemeinderat seiner Heimatstadt sah damals Anlaß für eine Erwähnung des angesehenen Künstlers in den Ratsprotokollen:

"60. Geburtstag des Malers Oskar Haberer. Kenntnisnahme von Glückwunsch und Dankschreiben. Kunstmaler Oskar Haberer in Berlin hat der Stadtverwaltung ein von ihm gefertigtes Intarsien-Bild als Geschenk übermittelt mit der Zweckbestimmung, es entweder im Museum oder einem anderen städtischen Gebäude aufzustellen. Er will damit seine Dankbarkeit seiner Vaterstadt gegenüber zum Ausdruck bringen. StRat nimmt dankend an und spendet 10 Flaschen Wein."

Adolf Geck meldete:

"Drei seiner Ortenauer Berglandschaften liegen in fotografischer Wiedergabe vor uns: Frühlingsstimmung im Renchtal, ein Taglöhnerhaus am Ramsbach und die Sulzbachlandschaft, der Aufstieg von Hubacker zur Allerheiligen-Höhe. Sie zeigen die Liebe zu den herrlichen Heimatbergen, darin der junge Oscar seine Kunstempfindung förderte." Ruhm und Ehre wurden Haberer zu seinem Jubelfest von allen Seiten zu Teil. Eine kleine Auswahl:

"Der bekannte deutsch-jüdische Maler Oskar Haberer vollendet in den nächsten Tagen sein 60. Lebensjahr. Haberer, ein geborener Badenser, übte in der letzten Zeit besonders die im Schwarzwald so häufige Technik der Intarsienkunst in Holz aus und hat z.B. schöne Thoraschränkchen in dieser Technik hergestellt."

Zu seinem Festtag wurde ihm auch eine Ausstellung in Berlin ausgerichtet: "Anläßlich des 60. Geburtstages des Malers Oscar Haberer wurde in der Berliner Galerie Casper in Anwesenheit des badischen Gesandten Honold und führender Persönlichkeiten der Kunst und der Wissenschaft eine Ausstellung seiner Werke eröffnet. Der Vorsitzende des badischen Kunstvereins, Reinhardt, würdigte in einer Ansprache die künstlerische Persönlichkeit Haberers."

Im Jahr darauf, 1927, war Haberer sogar in der "Großen Jüdische Nationalbiographie. Ein Nachschlagewerk für das jüdische Volk und seine Freunde" vertreten:

"Haberer, Oskar, Holzschnitzer, Intarsia-Techniker und Maler, geboren am 16. Februar 1867 in Offenburg, Baden, als Sohn eines Lederhändlers, besuchte die Kunstgewerbeschule zu Karlsruhe und später die Malerakademie in München. Sein lebendiges Interesse für kunstgewerbliche Arbeiten und sein Geschick, Zeichnungen u. Entwürfe für alle möglichen Kunsthandwerke anzufertigen, machten den Direktor der Kunst-Gewerbeschule Hermann Hölz auf ihn aufmerksam. Er erhielt den Vorschlag die Assistentenstelle im Institut zu übernehmen, zog es jedoch vor, sich vielseitig weiter auszubilden, kam nach Wien, Frankfurt, Berlin und Straßburg, Frankreich, der Schweiz, zeichnete drei Jahre für eine Porzellanfabrik und wanderte schließlich nach Holland aus, wo er sich seiner speziellen Kunstrichtung, der Intarsia, widmete u. in Amsterdam acht Jahre verblieb. Die Holzintarsien H.'s sind Bilder, die durch Einlegen verschiedener Holzsorten gewonnen werden. Dieses Kunsthandwerk war schon im Altertum bekannt und wurde im siebzehnten Jahrhundert in Italien und Deutschland vielfach geübt. Später wurde diese Technik zur Dekoration von Möbeln, Tischplatten, Schränken und Truhen verwandt und erreichte in Frankreich zur Zeit des Rokoko ihre Blüte. Seither fast in Vergessenheit geraten, hat H. die Verwendung der Intarsia in den letzten Jahren wiederaufgenommen und für diese Technik d. Holzschneidekunst ganz neue Ausdrucksweisen gefunden. Er verzichtet in seiner Darstellung auf alle Effekthascherei, das Material selbst soll die künstlerische Wirkung erzielen. So sind denn in d. Kunsttafeln H.s oft bis zu vierzig verschiedene Holzsorten verwendet, die fein aneinandergegliedert mit ihren Aederungen, Verästelungen, feinen Rillen und Maserungen der jeweiligen Form des auszudrückenden Gegenstandes zur Sprach verhelfen. Alle künstlerische Bemalung oder Beizung ist streng vermieden, nur die natürlichen Farben der Holzsorte und ihre Formen sollen die Wirkung hervorrufen, und mit diesen einfachen Mitteln erzielte H. ungeahnte Effekte. Seit 1911 lebte H. in Berlin. Hier hat er bei seinem großen Fleiß ein unendlich reiches Werk geschaffen. Die besten Museen und öffentl. Kunstsammlungen des In- und Auslandes haben seine Arbeiten erworben. Mit einer Ausstellung seiner ernsten Schwarzwaldbilder und seine sonnigen märkischen Landschaften hat er 1909 in Amerika den Grand Prix erzielt. 1910 erhielt er in Brüssel die gold. Medaille, außerdem wurden ihm von vielen Seiten mannigfache Anerkennungen zuteil. Einige seiner besten Zeichnungen jüdischer Typen und Skizzen aus dem jüdischen Familienleben befinden sich in der Kunstsammlung der Berliner Jüdischen Gemeinde."

Wo diese "besten Zeichnungen" Haberers hingekommen sind? "Die Kunstsammlung der Jüdischen Gemeinde, das alte jüdische Museum, ist 1938 von der Gestapo beschlagnahmt worden, die Werke (ein Teil nur erhalten) heute in Israel und USA."

Doch ist erst dieser Tage im Internet eine Fibel aufgetaucht, die Oscar Haberer illustriert hat (und die der Autor erwerben konnte für die städtische Judaica-Sammlung).

Haberers Zeichenkunst läßt sich an diesem schönen Fund vorstellen: "Für unsere Kinder. Neue hebräische Lesefibel", 1930 bereits in dritter Auflage in Frankfurt erschienen. Autor war Michael Abraham. Als Lesetexte dienen Gebetsauszüge, kurze Geschichten, deren Inhalt sich an Bibeltexten orientiert, mit sehr interessanten Abbildungen, die sich zum großen Teil auf das Leben der jüdischen Gemeinde und die jüdischen Feste beziehen.

Einen letzten Gruß, eine letzte Zeichnung, die auch als Vermächtnis gesehen werden kann, schickte Haberer an Neujahr 1932 nach Offenburg zu Adolf Geck:

"Sehr verehrter Herr Geck Zum neuen Jahr sende ich Ihnen meine herzlichen Grüße und alle Guten Wünsche für alle Zukunft, die im Lande jetzt so trüb aussieht. Geduld und Hoffnung werden uns doch noch zum Ziele führen um aus derzeitiger Sclaverei herauszukommen! Ihr ergebener Oscar Haberer."

Die signierte und datierte Zeichnung (Abb.) ist mit Recht visionär zu nennen: da steht ein wandernder Bilderhändler, sicher Haberer selbst, 1932 am Kreuzweg. Alle Wegweisr weisen ins Exil, nach Locarno, Genf, Basel oder Haag. Schwere Entscheidung, doch ein kleiner Trost wenigstens liegt im bekannten alemannischen Gedicht Johann Peter Hebels: "Und wenn de amme Chrützweg stohsch..." Die Gewissensentscheidung in Haberers Muttersprache wird schon die richtige sein. Doch: in der Ferne, in Richtung der unter- oder aufgehenden Sonne liegen auch, merkwürdig, Gräber. Haberer war lange leidend gewesen in seinen letzten Lebensjahren, er wird seinen Tod geahnt haben:

"Gestern abend ist der bekannte Berliner Kunstmaler Oscar Haberer nach schwerem Krankheitslager an einem Herzleiden gestorben. Haberer ist bekannt als Schwarzwaldmaler. Sein Geburtsort ist Offenburg in Baden."

"Am 21. März starb in Berlin der Maler Oskar Haberer, ein stiller und bescheidener Mensch, der in den letzten Jahren, von Krankheit verfolgt, kaum noch in die Öffentlichkeit getreten ist. Seine Heimat hat ihm nie die Beachtung geschenkt, die er wohl verdient hätte und die ihm im Ausland reichlicher zuteil wurde. 1867 in Offenburg in Baden geboren, besuchte er die Kunstgewerbeschule in Karlsruhe und die Akademie in München. (...) In Brüssel erhielt er 1910 die große goldene Medaille, in Seattle in Amerika den Grand Prix. Im dortigen Museum befindet sich eine Reihe seiner Werke. Auch in Deutschland wurden seine Arbeiten bekannt. Eine seiner Bildtafeln befindet sich im Wilmersdorfer Rathaus. Später wandte er sich der Ölmalerei zu. In Berlin fertigte er zwei große Wandgemälde für das Logengebäude."

"Nach langem schweren Leiden ist gestern abend der Berliner Kunstmaler Oskar Haberer in seinem 65. Lebensjahr gestorben. Haberer war Badener (...) Nach Beendigung seiner Studien war er einige Jahre künstlerischer Leiter der Firma Villeroy u. Boch in Schramberg. Viele der bekannten Schwarzwaldmajoliken sind aus Haberers Hand hervorgegangen. Später ging Haberer nach Holland um sich weiter dem Studium der Natur zu widmen. Dort in Holland ist man zuerst auf diesen deutschen Maler aufmerksam geworden. 1910 erhielt er auf der Internationalen Ausstellung in Brüssel die Goldene Medaille. Kurz vor dem Krieg kehrte Haberer nach Deutschland zurück und betätigte sich als Zeichenlehrer an den Berliner Schulen. Als Landschaftsmaler vor allem hat sich Haberer hervorgetan. Das Gemüt des Schwarzwälders mit seiner Heiterkeit und freudiger Naturbejahung spiegelt sich in seinen Bildern wider. Wie Hans Thoma so hat auch Haberer in seinen Schwarzwaldbildern das spezifisch Deutsche der Landschaft darzustellen verstanden. Seine besondere Eigenart war die Intarsienmalerei, mit der er erhebliche Wirkungen erreichte."

"Allzufrüh ist in Berlin der geniale Kunstmaler Oskar Haberer aus seinem Wirken abberufen worden. Es sind fünf Jahre vergangen, seit der Alt Offeburger den Landsmann zur Vollendung seines 60. Lebensjahres beglückwünschte und das Bildnis des Jubilars vorführte. Oshar Haberer der einer Friesenheimer Familie entstammte, ist in Offenburg am 16.2.1867 geboren. Sein Vater war der Kaufmann J. Haberer, der in der Hauptstrasse wohnte. Von der hiesigen Bürgerschule nahm er den Weg zur kunstgewerblichen Akademie.(...) Nach Deutschland zurückgekehrt, fand Haberer seinen beliebtesten Stoff in den herrlichen Bergen des Schwarzwaldes. Von diesen Kunstwerken seien aus unserer Nachbarschaft erwähnt die Renchtalbilder aus dem Sulzbach und Ramsbach. (...) Vom Kunstschriftsteller Eris Busse ist Haberers Werden und Wirken gewürdigt worden und der vortreffliche Landsmann aus der Ortenau verewigt worden."

"Besuch bei Oscar Haberer. Der Nachlaß eines Malers.

Ein nüchternes Haus in der Güntzelstraße in Wilmersdorf. Zwei Treppen hoch klettert man empor. Man tritt in die Wohnung des badischen Kunstmalers Oscar Haberer, der hier vor wenigen Tagen, 65 Jahre alt, einem schweren Herzleiden erlegen ist. Überall an den Wänden hängen Gemälde, meistens Landschaften. (...) Der Künstler war ein verschlossener Mensch, der fern dem Lärm der Kunstverbände und der Geselligkeit seinen Weg suchte. Man fand nach seinem Tod ganze Kisten und Koffer voller Studien. Fein durchgeführte Zeichnungen in Blei, Gouache, Tusche, humorvolle kleine Federspielereien, Entwürfe, alles ängstlich gehütet vor den Augen Neugieriger – heute eine Fundgrube für den Kunstfreund."

"Ein Badenser, erst 65 Jahre alt, ein unendlich gütiger, stiller, feinsinniger Mensch, der mit tiefer Herzensfrömmigkeit und inniger Liebe am überlieferten jüdischen Glauben hing. Zeit seines Lebens hat er nie viel von sich her gemacht und nie die Beachtung gefunden, die er verdient hätte. Seine hellen, im besten impressionistischen Stile gemalten Landschaften fanden im Ausland mehr Anerkennung als bei uns. Aber auch viele deutsche Museen kauften seine Bilder. (...) Sein Andenken wird noch lange fortleben, nicht nur in der Kunstgeschichte."

Wer ihn besuchen will: Oskar Haberer liegt auf dem größten Jüdischen Friedhof Europas, in Berlin Weißensee begraben: Feld J 7, 13. Reihe.

Seine Seele sei eingebunden im Bündel des Lebens!

 

© KulturAgentur, Dr.Martin Ruch, Willstätt, ruch@kulturagentur.de; Realisation eyeworkers interactive GmbH, Karlsruhe